Warum zieht es Städter aufs Land?

Die Wurzeln dieses Hofes liegen in meiner Kindheit: ich bin in der Großstadt München in den Nachkriegsjahren aufgewachsen und habe erlebt, wie meine Eltern und Großeltern sich mit Selbstversorgung über Wasser hielten. Manchmal durfte ich mit meinem Großvater mit dem Dampfzug aufs Land fahren. Dort arbeitete er, der Mechaniker, bei einem Bauern und wurde mit Lebensmitteln bezahlt. Die Zeiten haben sich geändert, viele Leute halten nur noch Milch aus dem Tetrapack für genießbar. Da stellte ich mir die Frage, ob das wohl gut gehen kann: die Menschheit verzichtet zum ersten Mal in ihrer Geschichte darauf, traditionelles Wissen um die Nahrungsherstellung an die nächsten Generationen weiterzugeben. Nach anderen Berufsabschlüssen (Krankenschwester, Heilpraktikerin, Sprachstudium)

 habe ich  wieder die Schulbank gedrückt, um das Wichtigste der bäuerlichen Theorie zu lernen. Mit der praktischen Erfahrung plage ich mich schon länger ab. Betriebswirtschaftlich gesehen ist ein solch kleiner Mischbetrieb nicht überlebensfähig und doch bewahrt er Kenntnisse, die überlebensnotwendig sind.

Daß ein solcher Hof, dessen Grundidee die Überlebenssicherung in Notzeiten ist, in jeder Hinsicht lebens- und ressourcenschonend sein muß, ist selbstverständlich.

Der Hof  heißt "Sonnwendhof", weil er schon sehr von der Sonne geprägt ist, durch seine Lage und durch sein Solardach. Vor allem aber, weil mich der Sonnwendtag an den kommenden Winter erinnert. Ein Winter in einer Viehwirtschaft mit Handarbeit ist hart. Da gibt es keine automatische Wasserversorgung mehr, den Kühen, Schweinen und Schafen muß durch Tiefschnee das Wasser gebracht werden, Holz muß gesägt werden, der  Ofen geschürt, Jungtiere vor der Kälte geschützt. Manchmal ist auch kein Fortkommen mehr mit dem Auto aufgrund der Schneelage. "Sonnwend" erinnert daran, daß das Leben hier nicht nur idyllisch ist, sondern existentiell, manchmal grausam, oft frustrierend, eben nicht nur sonnig.

Geschrieben von Lydia Riedel-Tramsek

Biohof Riedel | strombulli@googlemail.com